Der folgende Artikel kommt von einem wahren Helden des Vertriebs, Oliver Büchel. Vielen Dank für deinen Beitrag zur Community! Und nun: viel Spaß bei spannenden Einblicken in das Thema Key Account Management für Handelsvertreter.
Ich gebe zu, dass ich bei der Überschrift für diesen Beitrag etwas gezögert habe, ob ich das Wort „existenziell“ nicht doch durch das etwas weichere Attribut „wichtig“ ersetzen soll. Aber ich bin dabei geblieben: Die Beschäftigung mit Key Account Management ist für alle Handelsvertretungen nicht nur sehr wertvoll, sondern das Thema kann letztendlich die Existenz retten. Wie ist das gemeint?
In vielen Köpfen nicht nur im Umfeld der Handelsvertretungen ist verankert, dass Key Account Management eher größeren Unternehmen vorbehalten ist. Meist werden KAM-Konzepte mit hohen Investitionen vor allem in personeller Hinsicht assoziiert. Es herrschen immer noch Vorurteile, dass man z.B. für die Umsetzung von Key Account Management zumindest einen Key Account Manager und evtl. noch weitere Leute dafür einstellen muss.
Diese Glaubenssätze beruhen darauf, dass man den Umgang mit den Schlüsselkunden oftmals gleichsetzt mit einer Organisationsform und einer entsprechenden Aufblähung der internen Strukturen. Dabei ist Key Account Management in erster Linie ein Mindset-Thema.
Worum geht es eigentlich im Kern beim KAM-Konzept?
Das über 60 Jahre alte Key Account Management ist in den 1960er-Jahren entstanden, um der sogenannten Nachfragemacht des Einzelhandels einen Gegenpol zu bieten. Ein zentraler Ansprechpartner in Form eines Key Account Managers sollte vor allem Anbietern aus dem Markenartikel-Umfeld dabei helfen, die vielfältigen Strukturen bei den sehr stark wachsenden großen Handelskunden zu verstehen und diese aus ganzheitlicher Sicht professionell zu betreuen. Durch das allmählich immer stärker werdende Sterben des klassischen Einzelhandels auf Einzelunternehmer-Basis stellte sich der Markt im Laufe der Zeit ganz anders dar: Statt ganz vieler kleiner und mittlerer Kunden gab es irgendwann fast nur noch wenige große Player. Die Geburtsstunde des Key Account Management war sozusagen der massiven Marktverschiebung geschuldet: Weg von vielen kleinen Marktteilnehmern – hin zu wenigen Top-Kunden.
Heute ist Key Account Management keineswegs nur noch im Lebensmittelhandel und Markenartikel-Umfeld vertreten: Überall kommt immer mehr das Pareto-Prinzip zum Tragen, nämlich dass man ca. 80 % des Umsatzes mit 20 % seiner Kunden realisiert.
Du willst noch mehr zum Thema Key Account Management erfahren? Dann hör dir doch unsere Podcastfolge mit Oliver an:
Key Account Management – mehr als eine reine Vertriebsdisziplin
Key Account Management für Handelsvertreter
Wie sieht aber die Situation für Handelsvertretungen aus? Ist es dort nicht auch so, dass es wichtige und weniger bedeutsame Kunden gibt? Ich spreche in diesem Zusammenhang gar nicht von „großen“ Kunden, da das Wort „groß“ meist gleichgesetzt wird mit „umsatzstark“. Ein Key Account kann derzeit noch wenig Umsatz machen, bietet aber das Potenzial, das eigene Geschäft langfristig zu sichern. Diese Kunden erfordern eine besondere Aufmerksamkeit. Wer alle Kunden über einen Kamm schert, läuft Gefahr, sich zu verzetteln.
Wer kennt das nicht? Oft sind es die umsatz- und ertragsschwächsten C-Kunden, die den meisten Aufwand verursachen, da sie vor und nach jedem Auftrag noch ganz viele Rückfragen haben, die eigentlich in den meisten Fällen selbsterklärend sind. Viele Kunden wollen halt einfach nur spüren, dass sie mit ihren Anliegen wahrgenommen werden.
Die Kunst des Key Account Managements ist es nun, einen Spagat hinzubekommen, nämlich die Fokussierung auf die wichtigsten Kunden, ohne die B- und C-Kunden zu vernachlässigen.
Hier kann die Digitalisierung eine große Unterstützung liefern. Viele Anfragen von weniger bedeutenden Kunden können heute problemlos durch intelligentere und effizientere Prozesse als den persönlichen Besuch vor Ort geklärt werden, und das auch noch meist viel schneller und zuverlässiger.
Damit bleibt mehr Zeit, sich auf die wirklichen Schlüsselkunden zu konzentrieren. Wer als Einzelunternehmer in seiner Handelsvertretung somit kein zusätzliches Personal einstellen kann oder will, sollte sich umso mehr mit Key Account Management beschäftigen. KAM ist kein teures und zeitaufwändiges Konzept, sondern es trägt ganz im Gegenteil primär zu Effizienz und somit Zeiteinsparungen bei. Man sollte seine Einstellung dahingehend verändern, dass es existenziell wichtig ist, sich auf die Kunden zu fokussieren, die dem eigenen Geschäft den größten Ertrag bringen. Die Denkweisen sind somit sehr simpel, aber es gehört erfahrungsgemäß etwas Mut dazu, das Ganze auch entsprechend konsequent umzusetzen.
Bedeutung von Key Account Management für Handelsvertreter:
- Existenzielle Wichtigkeit: KAM ist nicht nur wertvoll, sondern kann entscheidend für das Überleben von Handelsvertretungen sein.
- Mindset, nicht nur Struktur: KAM sollte als Denkweise verstanden werden, nicht nur als organisatorische Struktur.
- Anpassung an Marktveränderungen: Ursprünglich entwickelt, um der Nachfragemacht des Einzelhandels entgegenzuwirken, hat sich KAM zu einem wichtigen Instrument entwickelt, um mit wenigen großen Kunden effektiv umzugehen.
- Pareto-Prinzip: In vielen Branchen generieren ca. 80% des Umsatzes nur 20% der Kunden, was die Konzentration auf Schlüsselkunden rechtfertigt.
- Fokus auf Potenzial: Ein Key Account muss nicht der umsatzstärkste Kunde sein, sondern einer mit dem größten Potenzial für zukünftiges Geschäft.
Fazit: Key Account Management für Handelsvertreter ist mehr als nur effektiv
Somit erfordert eine erfolgreiche KAM-Umsetzung nicht nur klassisch die richtige Auswahl der Schlüsselkunden, sondern auch ein Konzept, wie die weniger wichtigen Kunden künftig optimal betreut werden können. Dabei helfen auch einfache Maßnahmen wie z.B. die Überlegungen, für minder relevante Kundensegmente den Besuchsrhythmus zu reduzieren und bei welchen Kunden man persönliche Treffen durch Webmeetings ersetzen kann.
Ich behaupte daher: Key Account Management ist für ALLE Unternehmensgrößen relevant, vom Großkonzern bis hin zum Solo-Selbständigen. Wer als Kleinstunternehmer das Konzept verinnerlicht hat, wird künftig ohne personelle oder sonstige Investitionen alleine durch die Fokussierung auf die Schlüsselkunden seine Existenz sichern, da diese Klientel in der Regel nachhaltig und wiederkehrend für größere Umsätze und auch Margen sorgt.
Zum Schluss möchte ich noch einige Tipps an die Hand geben, um Key Account Management als Handelsvertretung gut umsetzen.
Tipps für Handelsvertreter im Key Account Management:
- Kundenpriorisierung: Unterscheiden Sie zwischen Schlüsselkunden und weniger wichtigen Kunden, um Ressourcen effizient einzusetzen.
- Effizienz durch Digitalisierung: Nutzen Sie digitale Tools und Prozesse, um Anfragen von weniger wichtigen Kunden effizient zu bearbeiten.
- Fokussierung auf Schlüsselkunden: Konzentrieren Sie sich auf die Betreuung und Entwicklung von Beziehungen zu Ihren wichtigsten Kunden.
- Mut zur Umsetzung: Es erfordert Mut, sich auf wenige Schlüsselkunden zu konzentrieren, aber die Vorteile können erheblich sein.
- Ganzheitliche Kundenbetreuung: Entwickeln Sie Strategien, um alle Kunden, auch die weniger wichtigen, optimal zu betreuen.
Wer mehr über modernes Key Account Management erfahren möchte, dem empfehle ich mein Buch „Neue Wege im Key Account Management“, das 2023 bei Springer Gabler erschienen ist.
Über den Autor:
Oliver Büchel
Vertriebscoach, zertifizierter Verkaufstrainer und Buchautor
➡️ www.oliverbuechel.com
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Das Leitmotiv von Oliver Büchel lautet „Leichter verkaufen ohne Druck – durch fokussierten Vertrieb“. Als Vertriebscoach, zertifizierter Verkaufstrainer und Buchautor unterstützt er Menschen und Unternehmen im Umfeld des lösungsorientierten B2B-Vertriebs und des Key Account Managements. Er hat langjährige Erfahrungen in der Gewinnung und Weiterentwicklung von Top-Level-Kunden und versteht es, moderne Methoden und Digitalisierung mit Augenmaß in effiziente Verkaufsprozesse zu integrieren, um nachhaltig Umsatzsteigerungen bei hohen Erträgen zu erzielen.